Wissenschaftlicher Name: Carduus marianus
Familie: Korbblütler (Asteraceae)
Gattung: Mariendisteln (Silybum)
Astrologie: Mars
Organbezug: Leber
Toxizität: – – –
Inhaltsstoffe:
Flavonoide: Flavanonolderivate: Silymarin: Silybin, Silychristin, Silydianin, Fettes Öl, Phytosterole
Anerkannte Wirkung (nach Kommission E):
bei Verdauungsbeschwerden mit Völlegefühl, bei toxischen Leberschäden, bei chronisch-entzündlichen Lebererkrankungen und Leberzirrhose (unterstützend)
Gegenanzeigen:
keine bekannt
Wechselwirkungen:
keine bekannt
Nebenwirkungen:
eine stuhlerweichende und/oder leicht abführende Wirkung kann vereinzelt auftreten

Mariendistel

Benennung

Namensursprung

Carduus ist bei den alten Römern die Bezeichnung für eine Distelart. Der Beiname marianus und der deutsche Name Mariendistel weisen auf eine alte Legende hin, nach der die weißen Streifen auf den Blättern von der Milch der Muttergottes herrühren sollen.

Weitere Namen

Mariendistel, Mergen-, Frauen-, Milch- oder Silberdistel

Christi Krone (Westfalen: Rheine), Heilandsdistel (Vogtland), Gottesgnadechrut (Zürichsee). In der Volksheilkunde gelten die Früchte als ein wirksames Mittel gegen Seitenstechen, daher die niederdeutschen Benennungen Stekkrût, Stekkürn, Stekköörn, Stichkürn, in Ost- und Westpreußen (die Früchte) Stichsamen.

Französisch: Silybe, chardon Marie, lait de Notre-Dame, chardon argenté, épine blanche; englisch: Milk-thistle, lady’s milk, holy thistle, St. Mary’s thistle; dänisch: Marietidsel; italienisch: Carduo mariano; norwegisch: Mariatistel; polnisch: Ostropest; russisch: Ostro-piestro; tschechisch: Ostropestrec obecný; ungarisch: Máriatövis.

Gebräuchliche Drogen und Zubereitungen

  • Mariendistelfrüchte (Cardui mariani fructus)

Vorkommen

ursprünglich aus Südeuropa und Nordafrika stammend, verbreitet auch in  Südamerika und Südaustralien, angebaut in ganz Europa

Botanik

Die wärmeliebende, einjährig überwinternde oder zweijährige, 1 ½ m hohe Pflanze ist auf sonnigen, trockenen Steinhängen und auf Dungplätzen Südeuropas und Nordafrikas zu finden. In Steppengebieten kann sie bis zu 6 Fuß hohe "Distelwälder" bilden. Vorübergehend tritt sie auch in der Nähe von Bahnhöfen auf. Als Kulturbegleiter ist sie heute in die trockenen Gebiete Südamerikas und Südaustraliens eingedrungen. – Der aufrechte, ästige, leicht wollig-spinnwebige, bräunlich glänzende Stengel ist im unteren Teile reich mit glänzendgrünen, entlang der Nerven weißlich gefleckten, länglich-elliptischen, buchtig gelappten Laubblättern besetzt, die kräftige gelbe Dornen tragen. Am Ende des Stengels bzw. Astes sitzt einzeln der aufrechte oder etwas nickende, große Blütenkopf mit purpurnen Blüten. Die braunfleckigen Früchte tragen glänzendweiße Pappushaare. Ihre stark gewellten Laubblätter bilden vorzügliche Regenrinnen zur Ableitung des Regenwasserswassers in den Wurzelbereich.
Blütezeit: Juli bis August

Sammelzeit:

Die Mariendistelfrüchte werden im August geerntet.

Geschichte und Mythologie

Die Mariendistel war schon im Altertum bekannt und wird von Theophrast unter dem Namen Pternix erwähnt. Sie ist das Silybum des Dioskurides, welcher ihre Wurzel mit Honigmeth getrunken als Vomitivum empfiehlt. Plinius dagegen schätzt das Silybum weder als Speise noch als Arzneimittel. In Mitteleuropa ist die Mariendistel nach Hegi wohl als Heilpflanze eingeführt worden. Hegi hält die Annahme, daß sie schon im altgermanischen Zeitalter in Deutschland bekannt und der Freia heilig gewesen ist, für sehr unwahrscheinlich. Die Pflanze wird von der hl. Hildegard als Carduus marianus unter den kultivierten Heilpflanzen genannt. Gebraucht wurden die Wurzel, das Kraut und die Früchte. Letztere waren als Fructus Cardui Mariae offizinell und haben sich am längsten in der Radermacherschen Tinct. Cardui mar. erhalten. Die Wurzeln und Blätter wurden u. a. gegen Fieber, Wassersucht und als Emmenagogum, die Samen, auch Stechkörner genannt, gegen Brustkrankheiten gebraucht.

Einem Volksglauben zufolge darf die stachlige Pflanze nicht auf dem Ofen einer Wirtsstube aufbewahrt werden, da sonst unter den Gästen unbedingt Streit ausbricht.

Traditionelle Anwendung

Mariendistel ist ein Hauptmittel bei Hepato- und Choleangiopathien, insbesondere bei Leberschwellung und -stauung (Leber sehr druckempfindlich, häufig Urobilinogen, selten Urobilin im Harn), Hepatitis, Cholelithiasis mit Koliken, Nachbehandlung von Vorbeugung bei  Cholelithiasis, Ikterus, Cholangitis, Milzleiden, bei durch Erkrankungen der Leber bedingten Kopfschmerzen, Übelkeit, Migräne, Schlaflosigkeit und Asthma, ferner bei Hämorrhoiden, Meteorismus und Obstipation.
 
Sehr gute Erfolge sind auch bei der Behandlung von Varizen und Ulcus cruris als begleitendes Mittel erzielt worden.

Dosierung

12 – 15 g der gestoßenen Früchte (Kommission E)
oder Zubereitungen ensprrechend: 200 – 400 mg Silymarin

Historische Anwendung

Bei Lonicerus (Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 147.) findet der Mariendistelsamen Anwendung als zusammenziehendes Mittel, gegen Seitenstechen und Freysen der Kinder.
Auch Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 225 C.) nennt Seitenstechen, außerdem Pestilenz als Indikationen, im übrigen aber verwendet er vorwiegend die Wurzel, die diuretisch, emmenagog und nierensand- und -steintreibend, galaktagog, öffnend und – äußerlich angewandt – gegen Zahnweh wirken soll.
v. Haller (v. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 312.) lobt das Kraut gegen Seitenstechen, alle Gebrechen der Leber, Weißfluß und als Breiumschlag gegen beginnenden Brust- und Nasenkrebs; die Samen gegen "hizige Fieber, wo man noch einigen gelinden Schweiß erhalten will".
Der Marien- oder Frauendistelsamen ist das vielgerühmte Lebermittel Rademachers (Rademacher, Erfahrungsheillehre, 1851 (1. Bd.), S. 140.), der ihn bei chronischen Leber- und Milzleiden, akuter Hepatitis mit Seitenstechen, Husten, blutigem Auswurf, bei Ikterus, Gallensteinkolik und chronischer Menorhagie mit großem Erfolg anwandte.
Auch Kissel (Kissel, Handb. d. naturwissenschaftl. Therapie, S. 425-445; ders., Die Heilmittel Rademachers. S. 197.), der bedeutendste Vertreter der Rademacherschen Schule, bestätigt die Heilwirkung bei akuten und chronischen Leber- und Milzaffektionen durch verschiedene Krankheitsberichte aus eigener Praxis.
Grävell, Brenschedt und Lobach (Grävell, Med. Centr.-Ztg. 1850, S. 99; Brenschedt, Bernhardis Ztschr. 1851 V. 1; Lobach, Verh. d. phys.-med. Ges. in Würzburg 1858, Bd. 8, S. 288.) wandten die Samen zur Anregung der Pfortaderzirkulation und der Gallensekretion an bei abdominellen Blutstockungen und deren Folgeerscheinungen: Ikterus, Hämorrhoiden, schwacher oder übermäßiger Menstruation usw.
Reil (Reil, De carduo Mariae pharmaco, Halle 1852.) stellte allerdings stopfende, Kopfweh und leichte Benommenheit verursachende Wirkung fest.
Schulz (Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 256.) konnte bei Nachprüfung die Rademacherschen Angaben bestätigen und empfiehlt die Mariendistel bei "den eigenartigen, ursächlich nicht immer klar zu deutenden, besonders bei Frauen wiederholt auftretenden Schmerzanfällen in der oberen Partie des Colon ascendens und der Lebergegend, wie auch bei ausgesprochener Cholelithiasis".
Bei Versuchen, die mit der Tinktur von Carduus marianus angestellt wurden, konnten nach Westphal (Westphal, Gallenwegsfunktion u. Gallensteinleiden, zit. b. Nadosy, Allg. hom. Ztg. 1936, S. 397.) erst Hemmung des Gallenabflusses durch Motilitätshemmung, dann starke Anregung festgestellt werden.
Leclerc (H. Leclerc, Précis de Phytothérapie, S. 130, Paris 1927.) setzt die Mariendistel in ihren Wirkungen dem Benediktenkraut gleich und erwähnt, daß den Samen eine blutdrucksteigernde Eigenschaft zugesprochen wird.
Nach Meyer (E. Meyer, Pflanzliche Therapie, S. 104, Leipzig 1935.) kann die Tinktur aus den Samen der Mariendistel bei Gelbsucht und Gallensteinleiden manchmal mit Erfolg angewandt werden. Als hauptsächlich wirksame Bestandteile enthält der Same Gerbstoff, Amine und Tyramine (Ullmann, Biochem. Ztschr. 1922, Bd. 128, S. 402.)
Bei Varizen empfiehlt Donner, Berlin, den Wechsel mit Calcium fluoratum, das noch besser auf den Tonus der Venenwandungen wirke. Er hat mit vielen anderen (Mattern, Pöller) mit dieser Behandlung häufig gute Resultate gehabt, so wurde ein Spinnereiarbeiter, der 1 ½ Jahre über Schmerzen durch Venenerweiterung klagte, in wenigen Tagen durch die Verabreichung von 5 Tropfen Carduus mar. Ø morgens und zweimal 1 Tablette Calcium fluoratum D 6 nachmittags schmerzfrei. Dagegen schreibt mir Schleihauf, Freiburg, daß Carduus Varizen nicht zum Verschwinden bringe. In schweren Fällen dürfte man ohne starkes Hautbürsten nicht auskommen. K. Bischoff, Berlin, nennt es ein vorzügliches Herzmittel bei Lebererkrankungen. Schließlich werden als Indikationen mir noch empfohlen: Hydrops, auch Aszites, von der Leber ausgehend, Nasenröte (E. Stieber lobt es hier sehr), Schwindel, Magenleiden, Bauchspeicheldrüsenerkrankung, Amenorrhöe, Husten mit Seitenstechen, Fieber, Vermes und Hautjucken. Mußler, Wiesbaden, beobachtete, daß bei Personen, die an Stirnhöhlenvereiterung operiert waren, und bei denen im Anschluß an die Operation der Abflußgang gesperrt war, jedesmal nach Einnahme von Lebermitteln, z. B. auch nach Carduus marianus, stärkere Sekretabsonderung mit heftigen Stirnkopfschmerzen eintrat.